Das Interview mit Landrat Niedermaier: Corona und die Digitalisierung in Bad Tölz-Wolfratshausen

Landrat Josef Niedermaier
Rolf Dindorf

Plötzlich Digitalisierung? Die Corona-Herausforderung mischt die digitalen Karten neu. Jahrelang diskutiert und wenig praktiziert in Kommunalverwaltungen führt die aktuelle Krisenlage zum deutlichen Ausbau digitaler Infrastruktur. Einen spektakulären Boom erlebt die Büroarbeit im Homeoffice. Das Arbeiten in den eigenen vier Wänden stand bisher nicht im Fokus des strategischen Personalmanagements öffentlicher Einrichtungen. Daher mangelt es auch an Erfahrungen, wie man damit umgeht. Doch was heißt die Corona-Krise konkret für die Kommunalverwaltungen vor Ort? Praktiker nehmen dazu kurz und knackig Stellung.
Heute mit Josef Niedermaier, Landrat von Bad Tölz-Wolfratshausen

1. Wie ist die Lage derzeit in Ihrer Verwaltung? (Stichworte z.B. Personaleinsatz, veränderte Verwaltungsabläufe)
Im gesamten Amt vor allem aber im Gesundheitsamt sind die Strukturen extremst gewachsen. Das konnte sich niemand vorstellen, dass gerade im Gesundheitsamt einmal so viele Menschen – momentan ca. 50 – beschäftigt sind. Das erfordert natürlich auch enorme Anstrengungen an anderer Stelle, nehmen Sie z.B. die EDV. All diese Arbeitsplätze, die neu entstanden sind, mussten und müssen ausgestattet, sofort einsatzbereit gemacht und längerfristig betreut werden. Das ist personell eine große Herausforderung.

2. Wie viele Mitarbeiter der Verwaltung arbeiten derzeit im Homeoffice? Wie sind die ersten Erfahrungen mit dem Arbeiten im Homeoffice?
Der Anteil der Belegschaft variiert und ist nicht immer gleich, zum Teil gibt es Schichtpläne. Erfahrung mit dem Homeoffice haben wir – wenn auch nicht in dem Umfang – schon aus Vor-Corona-Zeiten. Neu sind die Anzahl an Video-Konferenzen. Ich erinnere mich noch, dass noch kurz vor Corona viele Mitarbeiter und Bürgermeister zusammenkamen, so etwas wäre nun unvorstellbar. Vielmehr schalten wir uns bei Bedarf in Videokonferenzen zusammen. Das geht von überall her – aus den Rathäusern heraus genauso, wie aus dem Büro im Amt und aus dem Home-Office. Von dem her ist das Home-Office nichts neues, nur das Ausmaß ist neu.

3. Sieben Landratsämter aus allen bayerischen Regierungsbezirken – darunter auch Bad Tölz-Wolfratshausen – haben in einem Pilotprojekt einen digitalen Werkzeugkasten für Online-Anträge entwickelt. Was waren die Herausforderungen?
Erst einmal musste man sich über die Herangehensweise einigen, die Ziele definieren und auch technisch auf einen Nenner kommen. Es geht z.B. um Schnittstellen und Übergaben der Formulare in das System, in dem daran weitergearbeitet wird, um dann am Ende z.B. einen Bescheid erlassen zu können. Auch spielen wie so oft und ganz profan die unterschiedlichen Zeitressourcen eine gewichtige Rolle, was gerade in Konkurrenz zur Bewältigung der Coronakrise eine plötzlich ein großes Thema war.

4. Was können die Bürgerinnen und Bürger vom digitalen Werkzeugkasten erwarten?
Sie können erwarten, dass die darin entwickelten Formularmodule so erstellt wurden, dass sie in allen Landratsämtern gleich funktionieren und aufgebaut sind. Das heißt, ich kann mich viel schneller orientieren, die Abfrage der Daten ist gleich. Und letztendlich muss man sagen, dass dadurch auf Dauer auch Kosten gespart werden. Denn es macht einen Unterschied, ob ich einmal in eine vernünftige Entwicklung investiere oder immer wieder das Rad neu erfinden muss.

5. Ein Blick in die optimistische Glaskugel: Was möchten Sie als Landrat im Hinblick auf die Digitalisierung noch verwirklichen?
Dass es tatsächlich möglich ist, die meisten Behördengänge komplett digital abzuwickeln oder nur noch einen Gang zur Behörde zu haben. Das gilt auch für so komplexe Dinge wie einen Bauantrag. Das war jetzt nicht Teil des Digitalen Werkzeugkastens, aber auch daran wird gearbeitet. Insgesamt braucht es allerdings dazu nicht nur das digitale Landratsamt, sondern auch die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger. Sie müssen diesen Weg zumindest größtenteils mitgehen.

Vielen herzlichen Dank für die Beantwortung der Fragen
Rolf Dindorf

Bild: (c) Josef Niedermaier


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